Brautverziehen - Brautstehlen


"Wer hat die Braut gestohlen, gib Sie wieder her!"

Die Bräute der Antike machten schon so einiges mit, bis sie am Ziel ihrer Träume angelangt waren: Sie wurden nicht nur begehrt und mit durch Kämpfe umworben, sondern auch verkauft, getauscht, verschachert und geraubt.


Die Brautentführung soll bis heute davon geblieben sein, sie ist zumindest zu einem der beliebtesten Hochzeitsbräuche geworden, meist von den besten Freunden des Bräutigams praktiziert: Sie entführen die holde Braut mit verbundenen Augen von der Hochzeitsparty, bringen sie in eine Bar oder Gaststätte und lassen sie anschließend vom frischgebackenen Ehemann durch das Zahlen der Zeche wieder freikaufen. Ein deutlicher Fingerzeig darauf, was in den Folgejahren auf ihn zukommen wird.

Fraglich ist jedoch, ob dieses zwar kostspielige und auch harmlose Spielchen einen ernsten Hintergrund hat: Immerhin wird der Brautraub als heikle Art der Eheanbahnung schon auf unzähligen Gemälden und Fresken dargestellt. Albrecht Dürer z.B. griff das Thema bereits Ende des 15. Jahrhunderts auf und malte die muskelbepackten Gründer Roms, wie sie die Sabinerinnen rauben, um sie zu ihren Ehefrauen zu machen und der jungen Stadt Nachkommen zu sichern. Bei ihm sehen wir die Männer üppige Damen mit zeittypischen Bauch-Beine-Po-Problemzonen schultern, die sich, entsetzt dreinblickend, nach Rom schleppen lassen müssen. Und auch der Trojanische Krieg begann mit einem Brautraub, der Entführung Helenas.

Heute ein harmloser Brauch
– früher legitime Praxis um eine Ehefrau zu bekommen?


Wahrscheinlich zogen nicht einmal die Steinzeitmenschen mit geschulterter Keule auf Brautschau los. So beliebt solche Geschichten auch sind, so wenig war der Brauch in der Vergangenheit tatsächlich verbreitet. In keiner Kultur der Weltgeschichte galt der Brautraub als rechtmäßige oder übliche Form der Eheanbahnung. Er blieb stets die Ausnahme und geriet selbst beim Volk der Mapuche in Chile unlängst schnell wieder aus dem Gebrauch. Schnell fand das Elternhaus der Braut die Möglichkeit der Entschädigung, dieser Brauch blieb und so entstand der Brautpreis.

Der Brautpreis


Romantische Vorstellungen und Filmszenen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bräute in der Weltgeschichte lange Zeit eine Art Ware darstellten, die anständig bezahlt sein wollte. „Fünf Kamele, drei Rinder und zehn Schafe“ – diese Preisverhandlungen sind uns aus vielen Geschichten von 1001 Nacht her bekannt, der sogenannte Preis für eine Wüstenbraut. Bereits im Talmud und im Alten Testament wurden Brautpreise erwähnt.

In Asien bestand dieser Preis meist aus beweglichen Gütern wie Schmuck, Bargeld und Haushaltsgegenständen. In Afrika, vor allem in den Savannengebieten, werden den Brauteltern heute noch Vieh, Jagdspeere oder landwirtschaftliche Geräte für Ihre Töchter geboten. Wo ein junger Mann zwar heiratswillig, aber nicht solvent ist, helfen Verwandte gern aus. Oder der arme Kerl hat die Möglichkeit durch Dienstleistungen für die Brauteltern seine „Brautschulden“ wieder abzuarbeiten. Von einem pragmatischen Arrangement berichtet bereits das Alte Testament, wo Jakob zweimal sieben Jahre für Laban arbeitete, um dessen Töchter Lea und Rachel heiraten zu können; vielleicht hätte er sich doch nur für eine entscheiden sollen.

Je höher das Ansehen einer Familie, umso höher der Brautpreis, dass ist noch heute in vielen Ländern so. Dieser dient jedoch nicht der Mehrung des elternlichen Vermögens, vielmehr ist er ein Ausgleich für den Verlust der töchterlichen Arbeitskraft und somit oft die gesicherte Existenz der Brauteltern.